Datum: 30. 08 2024
Autor: Walter Ponten
Wanderführerinnen: Sabine und Karen
Wanderfreunde: Angelika, Birgit, Günter, Heidi, Leonie, Lizzy, Melanie, Olga, Walter, Wolfgang
Die Gruppe traf sich um 14.00 am Bahnhof in Villach, um von dort mit dem Auto nach Sauris zu fahren. Dazu verteilten wir uns auf in Karens Bulli namens Lucy und in Sabines kleinen Citroen, auch Knutschkugel genannt. Die Fahrt ging über die Grenze nach Italien und hinein in ein wildromantisches Gebirge mit einer Schlucht, senkrechten Felswänden und dunkelgrünen Wäldern sowie mehreren Tunneln, die wie ein alter Bergstollen aussahen und ohne Befestigung oder Beleuchtung durch den Berg führten. Schließlich erreichten wir den malerischen Stausee Lago di Sauris, von dem aus eine kurvigeStraße zu unserer Pension führte. Sie lag an einem sonnigen Berghang in etwa 1400 m Höhe, ein malerisches, urgemütliches Holzhaus.
Da meine Bahnverbindung von Köln nach München insgesamt fast vier Stunden Verspätung hatte (viele Grüße an die Deutsche Bahn), nahm ich in Villach ein Taxi und kam in der Pension erst an, als die anderen Teilnehmer bereits beim Abendessen saßen. Die netten Wanderfreunde und die angenehme Atmosphäre des Hauses entschädigten jedoch schnell für meine anstrengende Reise.
Dieser Tag begann mit einer Yogarunde, die Birgit anleitete und an der alle Frauen teilnahmen. Diese morgendliche Yogaeinheit sollte sich während der gesamten Tour als Tradition bewähren.
Nach dem Frühstück zogen wir los zu unserer Eingehtour. Es ging gemütlich bergauf über blühende Bergwiesen mit Arnika, Enzian, Augentrost, Küchenschelle und anderen zum Monte Rinderperk und weiter auf der Höhe mit Ausblicken immer wieder zum tiefunten liegenden See und dem nahen Gebirgskamm der karnischen Dolomiten. Da die Gegend hier zum Teil aus Schieferfels bestand, war das Landschaftsprofil etwas weicher als die typischen Dolomiten. Diese Gegend um Sauris war und ist eine deutschsprachige Enklave, in der wohl noch heute ein urbayerischer Dialekt gesprochen wird.
Nachmittags kamen wir nach Sauris di Sopra, wo wir noch in einem kleinen Restaurant einkehrten und Getränke bestellten. In Unkenntnis meiner Kaffeekenntnisse trank ich Melanies Cappucino, was sie mir aber großzügig verzieh.
Nach einem kurzen Regenschauer erreichten wir wieder unsere Pension, um dort zum zweiten Mal zu übernachten.
Am Abend feierte die ganze Gruppe unerwartet ein Geburtstagskind. Birgit freute sich riesig über ein deutsches und italienisches Lied und die guten Wünsche der Wanderfreunde.
Mit Yoga und Frühstück versorgt fuhren wir mit den Autos nach Forni di Sopra, um von dort mit dem Sessellift erst mal Höhe zu gewinnen. Die sportliche Sabine führte die Gruppe, die entsprechend flott unterwegs war, während die geduldige Karen mit den Genusswanderern unterwegs war. Inzwischen hatte sich auch das morgendliche Gewölk verzogen und die Sonne schien. Der Weg führte durch dichten Wald und erinnerte streckenweise an die Eifelwälderach . Olga entdeckte eine kleine, grüne Raupe, die mit erstaunlicher Geschwindigkeit einen Seidenfaden hinaufkletterte, der von einem Ast direkt vor uns herabhing. Zur Mittagsrast trafen beide Gruppen zusammen, wobei uns Leonie mit ihrer Heiterkeit bei Laune hielt.
Nachmittags überquerten wir die Straße und erreichten den Passo Mauria und stiegen ab zur Rifugio Giaf, die wir nach zwei weiteren Bachquerungen erreichten. Diese Hütte liegt mitten im Wald auf etwa 1400 Meter Höhe und entpuppte sich als ein sehr gemütliches Haus. Zum Abendessen gab es Polenta. Wir ahnten ja noch nicht, dass uns dieses Gericht mit unterschiedlichen Zutaten jeden Abend auf unserer Tour begleiten sollte.
Nach kargem Frühstück stiegen wir bei schönstem Sonnenschein in die steile Felsenlandschaft der Friaulaner Dolomiten ein. Als erstes erklommen wir die Forcella (= Scharte) Urtisiel mit 1990 m, dann die Forcella Val di Brica 2088 m und zum krönenden Abschluss die Forcella del Inferno mit 2175 m. Jetzt waren wir in der bizarren Felslandschaft der Dolomiten mit ihren Türmen, Mauern und Zacken angekommen.
Heute gingen wir gemeinsam als eine Gruppe, was jedoch im steilen Gelände manchmal zu einem Stopp and Go- Verkehr führte. Nach einem länglichen Abstieg erreichten wir die einsame Rifugio Flaiban in 1587 Metern Höhe. Wir waren die einzigen Gäste und hatten auf der gesamten Wanderung heute keine menschliche Kreatur gesehen! Und das in den Dolomiten. Außerdem waren wir im digitalen Nirwana angekommen.
Natürlich gab es zum AbendessenPolenta.
An diesem Morgen machten wir uns in zwei Gruppen auf den Weg. Als Sabine mit der sportlichen Gruppe A startete, hörten wir noch lange die bewegenden Abschiedsgesänge von Gruppe B. Es war emotional. Wieder einmal hatten Angelika, Melanie, Heidi und andere die musikalische Leitung der Gruppe übernommen.
Es ging aufwärts zum Passo del Mus, 2063 Meter hoch, der im oberen Teil unwegsam und steil war. Aber oben angekommen bot sich uns wieder ein fantastisches Panorama. Wir erkannten die Marmolada mit ihrer senkrechten Südwand, Civetta und den markanten Monte Pelmo sowie das symmetrische Dreieck des Antelao. Hier machten wir eine Fotopause, wobei Lizzy als die erfahrene Fotografin uns vor der Bergkulisse portraitierte. In Gruppe B sollte sich Wolfgang als Kameramann profilieren.
Abwärts ging es durch ein romantisches, grünes Tal mit phantastischen Boulderblöcken. An einem erfrischenden Wasserfall machten wir Rast und kühlten uns ab. Weiter ging es das Tal hinab, immer am Bach entlang, der auch zu einer Mittagspause einlud. Paradox war der Name des Tals: Val del Inferno. Das paradiesisch schöne Flüsschen Meluzzo schlängelte sich durch ein lichtes Birkenwäldchen und gab den Blick auf die aufragenden Dolomitwände dahinter frei.
Am frühen Nachmittag erreichten wir bei schwüler Hitze das Rifugio Pordenone auf 1249 Meter Höhe. Ein uriges kleines Steinhäuschen lag im Wald mit Blick auf die Berge. Wir wurden von dem coolen Wirtspaar Marica und Ivan verwöhnt. Da es noch nicht spät war, machten sich die Freundinnen Leonie und Lizzy sowie Olga und ich auf den Weg zu einem höher gelegenem Aussichtspunkt, von wo aus man das Wahrzeichen der Friaulaner Alpen sehen konnte: Campanile de Montania, ein Felsturm, dessen Durchmesser am Sockel geringer ist als in halber Höhe. Eingerahmt von gewaltigen Felsen stand da in einiger Entfernung diese bizarre Dolomitzacken und trotzte der Schwerkraft. Auf dem Weg zum Aussichtspunkt sahen wir einige Kletterer und kletternde Kinder, die sich in der senkrechten Wand des Tales ausprobierten. Auch später in der Hütte trafen wir einige Klettersportler.
Der aufmerksame Leser wird sicher erraten, was es zum Abendessen gab…und danach setzte ein Gewitter mit starken Regen ein.
Gewitter und Regen waren abgezogen. Heute stand die Königsetappe auf dem Plan. Sie sollte etwa fünf bis sechs Stunden Gehzeit betragen und etwa 1200 Höhenmeter bergauf und gleichviel bergab aufweisen.
Als wir starteten, begleitete uns ein frohes Lied der Damen aus Gruppe B. Erst ging es in den sonnendurchfluteten Wald. Nachdem wir diesen verlassen hatten, stiegen wir stetig und schweißtreibend bergauf im steinigen und felsigen Gelände. Selbst Leonie, sonst eine sprudelnde Quelle der Heiterkeit, wurde einsilbig.
Wir überschritten die steile Forcella del Leone und rasteten an der unten liegenden Biwak Schachtel. Anschließend ging es über die Forcella Montfalcon und der Blick öffnete sich ins nordwestlich gelegene Tal. Wir erkannten Civetta, Monte Pelmo und den Antellao. Ein langer Abstieg begann, der uns schließlich bis in den Talboden führte. Was für eine angenehme Überraschung, als wir kurz vor der Rifugio Padova einen Bach überquerten, der an dieser Stelle zu einem Becken aufgestaut war. Olga, Sabine, Lizzy und ich konnten nicht widerstehen, nach dem Begrüßungsgetränk an der Hütte zurückzukehren an das Gewässer. Wir sprangen und rutschten in den eisigen See und spülten uns den Dolomitenstaub von der Haut.
Die Rifugio Padova war eine dunkle Blockhütte mit rotbemalten Fensterläden und viel Blumenschmuck. Sie sah aus, als würde sie aus einem Märchenfilm stammen. Um die Hütte herum belebten große geschnitzte Holzfiguren, Zwerge, Gämsen und andere Kreaturen die Szene. Im Hintergrund leuchteten eindrucksvolle Dolomitenberge, die von der Abendsonne angestrahlt wurden.
Keine Frage, auch heute Abend gab es Polenta.
Als ich nachts die Toilette aufsuchte, hatte ich auf dem Rückweg die falsche Kurve genommen und landete versehentlich mit meiner rot leuchtenden Stirnlampe im fremden Gemach. Die Signora empfing mich mit einem Schwall Italienisch, den ich nicht verstand. Aber der Tonfall machte mir klar, dass ich besser den Rückzug antreten sollte.
Heute war unser letzter gemeinsamer Wandertag. Nach dem Frühstück stiegen wir bei strahlendem Sonnenschein hoch zum Forca del Cridola auf 2050 m. Hier stieg Gruppe A mit Sabine die Scharte zum Monte Cridola weiter hoch. Das Gelände wurde jedoch so steil und mit Geröll durchsetzt, dass Lizzy, Olga und Ich an unsere Grenzen kamen. Nur unser Oldie Günter kletterte wie ein junger Gamsbock noch ein Stück hinter Sabine her. Schließlich kehrten wir jedoch um und setzten den Abstieg von der Passhöhe fort. Wir tauchten wieder in den Wald ein, beobachteten an der gegenüberliegenden Bergwand eine große Gamsherde, die uns vorführte, wie man im steilen Gelände rasant eine Bergflanke quert. Bald darauf kamen zur Rifugio Giaf. Hier schloss sich unsere große Dolomitenrunde (Anello Dolomiti). Gruppe B hatte auf den steilen Abstecher auf der Passhöhe verzichtet und erreichte nach einer entspannten Wanderung als erste Gruppe das Rifugio Giaf.
Gruppe A und Gruppe B stiegen nun gemeinsam zum Parkplatz ab und fuhren zurück nach Villach. Im Hotel „Goldenes Lamm“ quartierten wir uns für die Nacht ein, tauschten die verschwitzte und staubige Bergsteigerkluft gegen saubere Kleidung und besuchten die Innenstadt für den letzten gemeinsamen Abend. Bei einem gemeinsamen Abendessen verabschiedeten wir uns von Karen und Sabine, die uns so sicher, glücklich und mit viel Erfahrung und Engagement durch die Berge geführt hatten. Wolfgang hielt noch eine emotionale Abschiedsrede und Angelika hatte dazu ein Lied geschrieben, das wir alle zum Abschluss sangen.
Eine wunderschöne und ereignisreiche Bergwoche ging zu Ende. Wir hatten eine abwechslungsreiche Tour erlebt und immer wieder verschiedene Klima- und Vegetationszonen von tiefem Wald bis in die karge, schroffe Felsregion durchschritten. Auch die Charaktere der Teilnehmer war unterschiedlich, doch in der Gruppe herrschte immer Fröhlichkeit und Teamgeist.
Danke an Alle!